2. Landesparteitag • 3. Tagung
DIE LINKE hat bei den Bundestagswahlen 2009 ihre selbstgesteckten Ziele nicht nur erreicht, sondern erkennbar überboten. Mit 11,9% und 22 Mandaten mehr ist sie deutlich gestärkt aus den Wahlen hervorgegangen.
DIE LINKE Berlin hat bei der Bundestagswahl 2009 mit 20,2% ein herausragendes Ergebnis erzielt. Damit sind wir erstmals seit 1990 zweitstärkste Partei in Berlin geworden und haben großen Anteil am sehr guten Gesamtergebnis von 11,9% auf Bundesebene. Damit haben wir unsere im Dezember 2008 auf der 1. Tagung dieses Parteitags beschlossenen Vorhaben mehr als erfüllt. Wir haben zum ersten Mal in Berlin 5 Mandate, davon erstmals nach dem Neuzuschnitt der Wahlkreise wieder 4 Direktmandate, gewonnen. Wir sind mit Abstand im Ostteil der Stadt wieder die stärkste Partei, liegen in deren Westteil flächendeckend über 5% und schafften dort insgesamt zum ersten Mal ein zweistelliges Ergebnis. Das zeigt insgesamt, dass DIE LINKE auf einem guten Weg ist, zu einer Partei für die ganze Stadt zu werden. Das Ergebnis ist einerseits Anerkennung für unsere Arbeit in Berlin wie auch auf Bundesebene und zugleich Auftrag, weiterhin konsequent für soziale Gerechtigkeit einzutreten.
Zur Bilanz des Jahres 2009 gehört auch der erfolgreiche Abschluss unserer Kampagne für ein »Nein« beim Volksentscheid über den gemeinsamen Ethikunterricht, durch die wir ein wichtiges rot-rotes Reformprojekt verteidigen konnten. Die Auseinandersetzung hat gezeigt, dass die von uns durchgesetzten, verbesserten Möglichkeiten der Direkten Demokratie den politischen Diskurs in der Stadt befördern, und dass wir durchaus in der Lage sind, Mehrheiten für unsere Politik in der Bevölkerung zu gewinnen.
Das Ergebnis unserer Partei bei den Europawahlen blieb dagegen hinter unseren Erwartungen zurück. Die Gründe hierfür gilt es weiter zu analysieren, um mit Blick auf die Abgeordnetenhauswahlen daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Grundsätzlich muss uns dabei bewusst sein, dass sich die guten Bundestagswahlergebnisse nicht einfach so auf die Abgeordnetenhauswahlen übertragen lassen.
Bei aller Freude über die Erfolge unserer Partei bei der Bundestagwahl gilt es jedoch zu konstatieren, dass es uns nicht gelungen ist, eine parlamentarische Mehrheit von CDU/CSU und FDP zu verhindern. Die Aussichten, die wir mit einer schwarz-gelben Bundesregierung verbinden, sind alles andere als positiv. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die von uns im Wahlkampf aufgeworfenen Frage »Wer zahlt die Zeche für die Wirtschafts- und Finanzkrise?« mit einem groß angelegten Angriff auf die öffentlichen Kassen beantwortet wird, der die finanziellen Spielräume für eine Politik des sozialen Ausgleichs insbesondere auf kommunaler und Landesebene, also dort wo wir stark sind und Verantwortung tragen, erheblich einschränken wird. Während die Banken, die ihre Verluste auf die öffentliche Hand abwälzen konnten, bereits wieder Milliardengewinne vermelden, schmiedet diese Bundesregierung Pläne zur Privatisierung der Pflegeversicherung, zur Mehrwertsteuererhöhung für Leistungen öffentlicher Unternehmen, zur Pauschalisierung der Betriebskosten bei den Kosten der Unterkunft für Hartz IV-Empfangende. Arbeitslose, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, kleine Selbständige, Rentnerinnen und Rentner sollen die Zeche zahlen. Dagegen wird DIE LINKE in den kommenden Jahren den Widerstand organisieren und zugleich mit eigenen Vorschlägen und Konzepten für politische Alternativen werben müssen.
Schwarz-gelb auf Bundesebene wird aber auch die rot-rote Koalition in Berlin vor neue Herausforderungen stellen. Zu den krisenbedingten werden sich die politisch erzeugten Einnahmeausfälle hinzugesellen und zu neuen Schulden führen. Das wird den Druck, Ausgaben zu senken und auf wichtige politische Vorhaben zu verzichten, wieder erhöhen.
DIE LINKE betrachtet eine verantwortungsbewusste Finanzpolitik nicht als Selbstzweck, sondern als Instrument zur Schaffung politischer Gestaltungsspielräume. Wir waren deshalb auch zu unbequemen Entscheidungen bereit, wenn diese sich mit einer Perspektive der Rückgewinnung politischer Handlungsspielräume verbunden haben. Wir haben aber auch immer klar und deutlich erklärt, dass wir die soziale und kulturelle Infrastruktur Berlins erhalten und nicht abreißen wollen. Auch deshalb haben wir bereits vor einem Jahr deutlich gemacht, dass wir es für politisch falsch wie auch volkswirtschaftlich kontraproduktiv halten, der Krise hinterher zu sparen. Und eben so falsch wäre es aus unserer Sicht, wenn wir jetzt auf relevante Projekte zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der ökologischen Erneuerung der Gesellschaft verzichten würden, während die Bundesregierung für die Verluste und Versäumnisse der Banken und Großunternehmen die öffentlichen Kassen bemüht.
Wir haben 2006 die Beteiligung an einer zweiten rot-roten Koalition mit der Realisierung der von uns vorgeschlagenen Referenzprojekte - Einstieg in einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, Aufbau von Gemeinschaftsschulen, Ausschluss von Privatisierungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge - verbunden. Bereits zur Halbzeit der Legislaturperiode können wir bilanzieren, dass wir die in der Koalitionsvereinbarung vereinbarten Ziele erreicht und in mancher Hinsicht sogar wesentlich mehr in Bewegung gesetzt haben.
So haben wir heute in dem Öffentlich geförderten Beschäftigungssektor die dreifache Zahl an Stellen, die einst vereinbart wurde. Die dort Beschäftigten verdienen mindestens 1300 Euro und haben ein reguläres Beschäftigungsverhältnis. Eine Befragung von ÖBS- Beschäftigten zeigt, dass die meisten Spaß haben an ihrer Tätigkeit und dass für sie der ÖBS zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe geführt hat. Es zeigt sich auch, dass durch den ÖBS die soziale Infastruktur der Stadt gestärkt wurde und viele Menschen davon profitieren. Diese positiven Erfahrungen wollen wir weiter ausbauen. Anfang des nächsten Jahres wollen wir auf einer Tagung die Ergebnisse der Evaluierung des ÖBS auswerten und über seine Weiterentwicklung und natürlich auch Verbesserung in der Umsetzung diskutieren. Wir haben nicht nur ein Modellprojekt zur Gemeinschaftsschule gestartet, sondern auch eine Schulstrukturreform auf den Weg gebracht, die jedem Kind nach der Grundschule die Perspektive auf das Abitur bietet. Wir haben nicht nur Privatisierungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge beendet, sondern thematisieren Rekommunalisierungen, ohne aufgrund dessen als weltfremd wahrgenommen zu werden.
Unsere Referenzprojekte haben uns in den vergangenen Jahren ein erkennbares politisches Profil gegeben. Sie waren klar als Vorhaben der LINKEN erkennbar, haben mittlerweile aber auch über unseren Kreis hinaus eine Anhängerschaft gefunden. Deshalb ist ihre Fortführung und Erweiterung wichtig und notwendig.
Wir wollen und dürfen uns aber nicht mit dem bisher Geleisteten begnügen. Aufgabe und Herausforderung wird im kommenden Jahr die Erweiterung unseres Profils um weitere Themenschwerpunkte und Projekte sein, die es gleichzeitig zu einem erkennbaren Leitbild für eine soziale und ökologische Ausrichtung der Politik in Berlin zusammenzufassen gilt.
Dabei können wir bereits auf Erfahrungen und konzeptionelle Ansätze aus den vergangenen 2 Jahren zurückgreifen:
Mit dieser Beschreibung der vor uns liegenden Aufgaben wollen wir den notwendigen Diskussionsprozess über das Profil der LINKEN in Berlin im kommenden Jahrzehnt neu eröffnen. Mit der Themensetzung verbinden wir nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, wohl aber den der Formulierung von Kernaufgaben.
Wir wollen und werden selbstverständlich auch weiterhin unser Profil als sozialistische Friedens- und Bürgerrechtspartei schärfen, unsere antifaschistische Grundhaltung demonstrieren, uns mit Anforderungen an eine Wirtschaftspolitik befassen, die Verteilungsgerechtigkeit stimuliert, Arbeitsplätze schafft, eine Sozialpolitik formulieren, die Armut und Armutsentstehung bekämpft, eine Gleichstellungspolitik betreiben, die Benachteiligungen von Frauen bekämpft oder auch darüber diskutieren, wie wir den spezifischen Interessen von Seniorinnen und Senioren gerecht werden können.
Entscheidender als von der Vollständigkeit der Themenfelder wird unser Erfolg in den kommenden Jahren davon abhängen, ob es uns gelingt, diese Fragen in einer offenen Debatte mit den verschiedensten AkteurInnen der Stadtgesellschaft zu führen. Nur wenn es uns gelingt die herrschenden Diskurse mit einer breit von gesellschaftlichen Kräften getragenen Diskussion über neue soziale Ideen und Bündnisse zumindest mitzuprägen, können wir den notwendigen gesellschaftlichen Rückhalt für unsere Politik herstellen. Das erfordert von uns Offenheit, den sozialen Kontakt zu den Menschen und die Fähigkeit zum selbstkritischen Hinterfragen, aber ebenso Sachkenntnis und die Befähigung eigenen Positionen argumentativ zu vertreten.
Mit der Bildung einer rot-roten Landesregierung in Brandenburg bietet sich uns die Chance linke Politik nicht nur für Berlin, sondern für die gesamte Region zu gestalten. Eine der wichtigsten Aufgaben wird es daher für uns sein, die Zusammenarbeit mit unseren Genossinnen und Genossen in Brandenburg zu intensivieren und auf eine qualitativ neue Stufe zu führen, die über den Austausch von Positionen hinaus auf die Formulierung gemeinsamer Projekte abzielt.
Wir werden der Brandenburgischen LINKEN das Angebot machen, von unseren Erfahrungen in Regierungsverantwortung zu partizipieren, sowohl in Bezug auf die Möglichkeiten als auch hinsichtlich möglicher Fehler. Wir wollen das in Form eines vertrauensvollen Dialogs gestalten, der gegenseitige Kritik und zugleich solidarisches Zusammenstehen ermöglicht.
Eine erfolgreiche Politik von Rot-Rot in der Region kann Vorbildcharakter sowohl für die bevorstehenden Wahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern als auch für die Bundesebene entwickeln.
Wie schon in der Vergangenheit wollen wir uns auch in Zukunft nicht auf den Berliner Rahmen beschränken, sondern uns aktiv in bundespolitische Debatten einmischen.
Angesichts der bereits skizzierten Bedrohungen, die schwarz-gelb für eine Politik der sozialen Gerechtigkeit bedeuten, wird es umso wichtiger für uns, auf die Zusammenhänge der Umverteilungspolitik von unten nach oben der Bundesebene und den damit einhergehenden Verschlechterungen der Rahmenbedingungen für eine Politik des sozialen Ausgleichs auf Länder- wie auch auf kommunaler Ebene hinzuweisen. So beispielsweise, wenn durch die fortschreitende Privatisierung der Solidarsysteme im Gesundheits- und Pflegebereich die ausreichende Versorgung sozial benachteiligter Menschen bedroht, durch die Aushöhlung der staatlichen Rente Altersarmut forciert oder durch Verhinderung von Mindestlöhne, der Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen Vorschub geleistet wird.
Über diese Zusammenhänge wollen wir in den kommenden zwei Jahren verstärkt aufklären.
Gerade für Berlin gilt es dabei den Anspruch auf eine besondere Unterstützung bei der Lösung der nicht allein durch die Stadt verursachten Haushaltsnotlage aufrechtzuerhalten und Entscheidungen, die die Einnahmesituation des Landes weiter verschlechtern, entgegenzutreten. Ein besonderes Augenmerk werden wir dabei auf die Auseinandersetzung mit der die finanzpolitische Souveränität der Länder einschränkende Schuldenbremse legen.
Im Rahmen der Kampagnen, die wir im Jahr 2009 geführt haben, haben wir eine Reihe von Erkenntnissen gewonnen:
Daraus wollen wir die nötigen Schlussfolgerungen ableiten.
Alle Genossinnen und Genossen sind gefordert, aus den Kampagnen 2009 Erfahrungen einzubringen, diese gemeinsam kritisch zu analysieren und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen.
Die Bezirksverbände sind gefordert, ihre inhaltlichen und personellen Vorarbeiten für die Wahlen 2011 auf den Weg zu bringen und im 3. Quartal 2010 im Landesausschuss zu berichten.
Teil unserer Kampagnenarbeit ist auch, dass DIE LINKE Berlin zukünftig Mobilisierungen von Betroffenen gegen unsoziale Politik unterstützt, um gesellschaftliche Gegenstrukturen in Berlin zu stärken.
Der Parteivorstand hat die Mitglieder der Partei aufgefordert in eine breite Debatte über Weg und Ziel der Partei einzutreten. Wir wollen diese Debatte im Landesverband führen und mit unseren Herausforderungen in Berlin verbinden. Diese Debatte soll bis 2011 in ein neues Programm für unsere Partei münden. Der Landesvorstand wird beauftragt, gemeinsam mit den Bezirksvorständen, diese Debatte zu organisieren und ihre Ergebnisse zu dokumentieren.
Bereits auf der 1. Tagung des 2. Landesparteitages haben wir beschlossen, die organisatorische Neuaufstellung der Partei zu beschleunigen.
Neue Mitglieder, allein über 500 im laufenden Jahr, sind dafür ein wichtiger Ausgangspunkt. Strukturen immer wieder auf den Prüfstand zu stellen und die Mitarbeit und Entscheidungsfähigkeit der Genossinnen und Genossen zu fördern, ist dabei entscheidend. Dabei kommt es immer wieder darauf an, nicht nur thematisch nah bei den Menschen zu sein, sondern auch in der Art und Weise, wie wir sie ansprechen. In einer Stadt wie Berlin, heißt das, dass auch die Partei bunt und vielfältig in ihrer Arbeit sein muss. Vielfalt der Perspektiven, Lebenserfahrungen und kulturellen Zugänge zu fördern und zu nutzen, Gemeinsamkeiten durch Debatten zu erringen und gemeinsam für politische Ziele streiten soll ein Markenzeichen unserer Partei sein. Die Qualifikation der Mitglieder, sowohl inhaltlich als auch organisatorisch ist ein Baustein dieser Arbeit.
Ausgangspunkt für die künftige Entwicklung der Infrastrukturen unserer Organisation muss die Mitgliederentwicklung und damit verbunden die die Entwicklung der Beitragseinnahmen sein. Gemeinsam wollen wir den Landesverband so aufstellen, dass er zukunftsfähig, gesamtstädtisch präsent und politisch durchsetzungsfähig ist.
Deshalb wird der Landesvorstand beauftragt, Anfang 2010 ein Konzept der räumlichen Präsenz der Partei in der Stadt zur Diskussion zu stellen, das Mitte 2010 durch den Landesausschuss beschlossen werden soll.
Der 1. Tagung des 3. Parteitages ist ein Beschlussentwurf zur Weiterentwicklung der Strukturen des Landesverbandes durch den Landesvorstand vorzulegen.
2010 wird im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt. Bereits 2005, an der Wiege der LINKEN hatten die Landtagswahlen in NRW eine besondere Bedeutung. Im kommenden Jahr geht es um den Einzug der LINKEN in den 13. Landtag der Republik. Die Berliner LINKE wird sich nach Kräften an diesem Wahlkampf beteiligen und ihren Beitrag zum Einzug leisten.
Ab sofort ist die Vorbereitung auf die Berliner Wahl 2011 eine aktuelle und dringliche
Aufgabe. Mit den Erfolgen der Wahlen in den vergangenen Monaten gehen wir motiviert an die vor uns liegenden Aufgaben. Wir können und wollen Berlin weiter verändern.
Wir kämpfen für einen sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Umbau unserer Gesellschaft.